30. Burzenländer Arbeitstagung
Das Burzenland als Motor der Industrialisierung
Burzenländer setzen die Kultur- und Gemeinschaftspflege auf hohem Niveau fort
50 Vertreter der 16 Burzenländer Heimatortsgemeinschaften erörterten auf ihrer Arbeitstagung vom 12. bis 14. April 2013 in Crailsheim ein neues Projekt zur Erforschung der Wirtschaftsgeschichte, planten Dokumentationen der Friedhöfe und Fahnen, ein Buch über die Geschichte der Blasmusik, die Teilnahme am Festumzug des Heimattages in Dinkelsbühl, ihr drittes Musikantentreffen, den 22. Burzenländer Kalender und vieles mehr.
Einen neuen Forschungsschwerpunkt legen die Burzenländer auf ihre Wirtschaftsgeschichte von 1848 bis 1948. Das Vorhaben wird von dem aus Kronstadt stammenden Historiker Dr. Dr. Gerald Volkmer (München) wissenschaftlich betreut. Am Sonntag hielt er einen hervorragenden Vortrag über die wirtschaftliche Entwicklung Kronstadts und des Burzenlandes zwischen der Revolution von 1848 und der Verstaatlichung der Wirtschaftsbetriebe durch die kommunistische Regierung 1948. In diesen einhundert Jahren bildete sich das Burzenland zu einer im ökonomischen, sozialen und kulturellen Bereich bemerkenswert leistungsfähigen Region, die zu einem Motor der Industrialisierung Siebenbürgens und Rumäniens wurde. Volkmer veranschaulichte diesen Prozess anhand des Ausbaus einiger Familienhandwerksbetriebe zu größeren Industrieunternehmen am Beispiel der Familien Scherg, Schiel und Copony, die auch maßgeblich an der Gründung größerer Fabriken im Burzenland beteiligt waren. Diese Entwicklungen ordnete Volkmer in die größeren Zusammenhänge der europäischen Wirtschaftsgeschichte ein und arbeitete auch die Bedeutung des Bankensektors heraus. Im zweiten Teil umriss er die Ziele des Projekts, das die Wirtschaftsgeschichte des Burzenlands erforschen, dokumentieren und präsentieren soll. Geplant sind Veröffentlichungen in verschiedenen Periodika sowie eine Monografie, die sich auf die Geschichte des Gewerbes, der Industrie und des Handels, einschließlich der Banken, im Burzenland konzentrieren sollen, da die Land- und Forstwirtschaft bereits im ersten Band des von Erich Jekelius 1928 herausgegebenen Werkes „Das Burzenland“ behandelt wurden. Der Historiker stellte die relevanten Quellengattungen vor und gab auch wertvolle methodische Hinweise für die Benutzung der einschlägigen Archive sowie für die Bestandsaufnahme der Betriebe in den Gemeinden der Burzenländer Heimatortsgemeinschaften. Aufgerufen sind Zeitzeugen, den HOG-Verantwortlichen Hinweise auf die Geschichte der Unternehmen zu geben, insbesondere auf Dokumentationen von Privatpersonen, die meistens auch unbekanntes Fotomaterial zur Geschichte der verschiedenen Handwerksbetriebe, Fabriken, Geschäfte oder Banken enthalten.
Regionalgruppenleiter Karl-Heinz Brenndörfer (Heldsdorf) berichtete über den Beitritt des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften zum Verband der Siebenbürger Sachsen, der zu Pfingsten 2012 in Dinkelsbühl festlich besiegelt wurde. Kurz zuvor hatten die Burzenländer auf ihrer Tagung in Crailsheim diesen Schritt einhellig befürwortet. Erfreulich seien auch die Bemühungen der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, den Kontakt zu den ausgewanderten Landsleuten zu intensivieren und sie stärker am Leben der Kirchengemeinden teilhaben zu lassen. Angesichts der Personalnot in Siebenbürgen sei es wichtig, die Freiwilligenbörse, die die Kirche in Kürze einrichten werde, zu unterstützen, sagte Brenndörfer.
Der Regionalgruppenleiter hat sämtliche 29 Protokollhefte der jährlichen Arbeitstagungen digitalisiert und stellte sie nun auf der 30. (Jubiläums-)Tagung auf einer CD vor. Wie Brenndörfer herausfand, handelt es sich aber schon um die 33. Tagung. 1981 hatten die Burzenländer Ortsvertreter erstmals in Stuttgart getagt (die Siebenbürgische Zeitung vom 15. Mai 1981 berichtete; zwei Teilnehmer der ersten Tagung, Otto Gliebe und Udo Buhn, waren heuer in Crailsheim dabei). 1982 und 1983 berieten die Burzenländer dann in Gundelsheim-Offenau, und erst seit 1984 werden alle 30 darauf folgenden Tagungen gewissenhaft protokolliert, die letzten 14 von der bewährten Schriftführerin Rosemarie Chrestels (Neustadt).
„Wir haben viel Arbeit, aber auch viel Freude“, stellte Nachbarvater Manfred Binder in seinem Bericht über die HOG Petersberg fest. Anneliese Madlo freute sich über den großen Zuspruch, den das Treffen zum 30-jährigen Bestehen der HOG Honigberg gefunden hat. Teilnehmer werden nicht nur über das Heimatblatt, sondern auch per Internet gewonnen. Am wichtigsten bleibt allerdings der persönliche Kontakt zu den Landsleuten, denn das Erfolgsrezept der Burzenländer beruht – neben kontinuierlicher Arbeit – vor allem auf ihrem Realitätssinn. So berichteten die Ortsvertreter über ihre Treffen in Deutschland sowie die Friedhofspflege, die Instandhaltung von kirchlichen Gemeinschaftsbauten und andere Hilfen für die Heimatgemeinden in Siebenbürgen.
Zu einer Jubiläumsfeier lud Rainer Lehni, Nachbarvater der Zeidner Nachbarschaft in Deutschland, für den 6. Juli 2013 nach München ein. Die Zeidner Nachbarschaft wird 60 Jahre alt und ist damit – nach der Heimatgemeinschaft Heldsdorf (1952) – die zweitälteste Heimatortsgemeinschaft in Deutschland.
Die Heimatortsgemeinschaften Kronstadt und Bartholomae schlossen sich am 22. September 2012 in Urbach bei Schorndorf zusammen und fungieren seither als eine Organisation mit dem Namen „Heimatgemeinschaft der Kronstädter“. Damit wäre die Regionalgruppe Burzenland auf 15 Mitglieder geschrumpft, hätte es nicht am Pfingstsonntag 2012 in Dinkelsbühl eine Neugründung gegeben. Die Heimatortsgemeinschaft Bukarest wurde – in Analogie zum Kirchenbezirk – der HOG-Regionalgruppe Burzenland zugeordnet. In Crailsheim wurden Bernddieter Schobel als kommissarischer Vorsitzender und Jutta Tontsch als stellvertretende Vorsitzende der HOG Bukarest herzlich begrüßt. Bernddieter Schobel übermittelte einen Gruß auch seitens der Kreisgruppe Crailsheim, in deren Vorstand er aktiv ist. Jutta Tontsch wurde kürzlich zur Leiterin des Projektes „Genealogie der Siebenbürger Sachsen“ gewählt und konnte nun die Burzenländer Ortsgenealogen gewinnen, an diesem Vorhaben mitzumachen. Sie lud zu einem Seminar für Familienforscher für den 4.-6. Oktober 2013 nach Bad Kissingen ein. Ebenfalls am „Heiligenhof“ findet vom 25.-27. Oktober die große Tagung des HOG-Verbandes mit Neuwahlen und vom 22.-24. November eine Tagung zur siebenbürgischen Wirtschaftsgeschichte statt.
Für den 1.-3. November 2013 ist das dritte Burzenländer Musikantenreffen in Friedrichroda geplant. Pünktlich zu diesem Ereignis will Klaus Oyntzen (Weidenbach) eine Geschichte der Burzenländer Blaskapellen herausgeben. An dem neuen Buch, das zugleich ein Projekt der HOG-Regionalgruppe ist, haben alle Heimatortsgemeinschaften mitgewirkt.
Der stellvertretende Regionalgruppenleiter Udo Buhn stellte Vorarbeiten zu zwei Dokumentationen vor: über die Fahnen der Burzenländer Gemeinden, die im Burzenländer Heimatkalender 2014 thematisiert werden, und über die evangelischen Friedhöfe, ein Projekt, das in der Regionalgruppe mehrere Jahre lang behandelt werden soll. Otto Gliebe, Ehrenvorsitzender der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“, verwies diesbezüglich auf ein Brenndorfer Friedhofsheft (2000) und auf die Präsenz Brenndorfs im Online-Register www.weltkriegsopfer.de.
Johannes Weigel (Berlin), außerordentliches Mitglied der Regionalgruppe Burzenland, machte auf „875 Jahre Siebenbürger Sachsen“ aufmerksam. Das Jubiläum stehe 2016 an und sollte auch genutzt werden, um Siebenbürgen als beispielgebend für das gemeinsame Haus Europa herauszustellen.
Zur Burzenländer Arbeitstagung vom 25.-27. April 2014 in Crailsheim-Westgartshausen werden auch die Jugendvertreter eingeladen, um sich auszutauschen und eventuell ein Burzenländer Jugendtreffen auf die Beine zu stellen.
Siegbert Bruss